Schon gefahren: Citroën C5 Aircross Elektro & PHEV
Citroën möchte sich neu erfinden, zu alten Werten zurückkehren und unterstreicht das Qualitätsversprechen in Form einer ...
Vor zehn Jahren noch zählten Fahrzeuge aus Europa zum Besten, das es zu kaufen gibt. Heute sieht die Sache ein wenig anders aus. Eine Rekonstruktion der Ereignisse. Wie man gegensteuern kann. Und muss.
Gerade einmal 20 Jahre ist es her, da lachte man noch abfällig über Autos aus China. Ein versemmelter Crashtest eines Fahrzeugs aus dem Reich der Mitte zeigte den damaligen Rückstand zu Modellen aus dem Abendland, der einen in beruhigender Sicherheit wiegte. Schließlich galt man als absolute Weltspitze. Design, Technik, Haltbarkeit, das Image natürlich, das sorgte für stabile Verkaufszahlen und entsprechende Renditen. Doch wie mit einem Scheibenwischerschlag scheint es, ist dieser Vorsprung verschwunden. Ein Schuldiger wurde schnell gefunden, es ist natürlich der Umstieg auf die E-Mobilität. Doch ist die Erklärung wirklich so einfach? Darüber streiten Experten seit Jahren, während die verbliebenen europäischen Hersteller versuchen, die immer mächtiger werdenden Hersteller aus China zumindest einzuholen. Was ist also schiefgegangen?
Schneller greifen
„Trotz des Gegenwinds – die europäische Autoindustrie ist mit ihrem Beitrag von sieben Prozent zum europäischen Bruttoinlandsprodukt immer noch das Rückgrat der europäischen Volkswirtschaft“, sagt Harald Deubener, Co-Autor der Studie „A new era: An action plan for the European automotive industry“ und Leiter der weltweiten Automobilberatung bei McKinsey. „Allerdings machen die ungünstigen geopolitischen Faktoren und die im Vergleich zu China und den USA schwierigeren Standortbedingungen die Transformation komplex.“ So kam diese Studie zum Schluss, dass durch den Übergang zur Elektromobilität und softwarebasierten Fahrzeugen, ungünstigen Standortbedingungen sowie neue Wettbewerber und Handelsbedingungen bis 2035 bis zu einem Drittel der Wertschöpfung der Industrie – immerhin 440 Milliarden Euro – auf dem Spiel stehen könnten. Wege aus diesem Schlamassel? McKinsey meint dazu, dass es zwar löblich ist, dass die Industrie 150 Mrd. Euro jährlich in Zukunftstechnologien wie E-Mobilität und softwarebasierte Fahrzeuge investiert. Um wettbewerbsfähiger, resilienter und nachhaltiger zu werden, sollte die Industrie auch „ihre Entwicklung deutlich beschleunigen und Kosten senken“. Dazu gab es auch einen Appell an die Politik, die die Rahmenbedingungen verbessern soll. Zum einen durch den weiteren Ausbau der Lade-infrastruktur, zum anderen durch eine Verbesserung der Faktorkosten am Standort Europa sowie durch eine realistische Diskussion um den effizientesten Weg zur Klimaneutralität. Auch hier scheint man in der Realität angekommen zu sein. Denn dass es überhaupt so weit gekommen ist, daran ist die Politik nicht ganz unschuldig. Dazu bedarf es eines kleinen Rückblicks.
Die letzte Zündkerze
Es ist fast schon eine Ironie, dass man diesen Abwärtstrend selbst initiierte, und das schon vor langer Zeit. Bereits die Verbräuche und Emissionen, die unter dem NEFZ-Zyklus herausgefahren wurden, waren weitab der Realität. Schließlich trimmte man nicht nur den Zyklus auf die eigenen Bedürfnisse hin, sondern auch die Motorenabstimmung. Die Ausweitung des Ganzen zum Dieselskandal von vor zehn Jahren war demnach nur ein weiterer Schritt, der nicht nur die Technik, bei der Europa federführend war, in ein schiefes Licht rückte. Auch litt die Glaubwürdigkeit der Autoindustrie, denn zumindest ein bisschen hat jeder geschummelt. Der Legislative langte es jedenfalls. Wurden bisher neue Abgasgesetzgebungen immer eng mit den Herstellern beschlossen, wollte man künftige Vorgehensweisen lieber alleine bestimmen. Ob das nötige Fachwissen jetzt in den Reihen der EU in Brüssel zu finden war oder nicht – auf die Lobby-Vereine der Konzerne wollte man erst einmal weniger hören, und so kam es zu Dingen wie WLTP, Real world driving emissions und Verbrennerverbot.
Der Schwenk zur E-Mobilität war für europäische Verhältnisse spontan und abrupt, was China geradezu in die Hände fiel. Denn so konnte man auf dem aufbauen, was man bis jetzt geleistet hatte: Um als europäischer Hersteller in China Fuß fassen zu können, musste man stets ein Joint Venture mit einem lokalen Hersteller eingehen. Das führte zwar zu paradiesischen Absatzzahlen, aber zwangsläufig auch zu einem Technologietransfer, der den Vorsprung der EU-Marken schnell schmelzen ließ. Dazu kommt der gehörige Vorsprung bei der E-Mobilität: Nachdem man bei traditionellen Antrieben einfach nicht mitkam, fand der Schwenk schon viel früher statt. Dass es zudem immer weniger traditionelle Modellreihen aus Europa gab, kam blöderweise dazu: Vor allem Klein- und Kleinstwagen ließen sich nicht mehr gewinnbringend produzieren – zu hoch die Personalkosten, zu teuer die Abgasnachbehandlungssysteme. Es wäre also falsch, zu behaupten, man hätte sich im Abendland zu lange auf altbewährte Technologien verlassen oder zu spät mit der eigenen Batterieproduktion angefangen. Wenn der Zukauf asiatischer Komponenten ohnehin viel billiger war, blieb für eine positive Bilanz irgendwann einfach nichts anderes mehr übrig, und irgendwann musste sogar der kleinste Mechaniker feststellen, dass selbst die letzte Zündkerze deutscher Traditionsunternehmen über die Aufschrift „Made in China“ verfügte.
Hohe Kosten gehen ins Geld
Rückblickend betrachtet, sind das alles nur Teilaspekte, die erst als großes Ganzes ein düsteres Bild ergeben. Und der Fairness halber muss erwähnt werden, dass auch die erfolgsverwöhnten Konzerne aus China derzeit ein wenig ins Straucheln geraten, was Absatz und Gewinnprognosen angeht. All das ändert aber nichts an den Herausforderungen, denen sich laut McKinsey unsere Industrie stellen nun muss.
Technologie: Derzeit liegt der Wertschöpfungsanteil bei in Europa hergestellten und verkauften Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bei 85 bis 90 Prozent. Bei einem von einem europäischen Hersteller in Europa produzierten BEV sinkt dieser Deckungsbeitrag auf 70 bis 75 Prozent. Der Grund: Die Batterien werden oft aus Asien bezogen. Zum Vergleich: In Europa produzierte E-Autos von nichteuropäischen Herstellern kommen auf 55 bis 60 Prozent Wertschöpfung für Europa, bei importierten BEV sinkt dieser Wert auf dramatische 15 bis 20 Prozent. Elementare Technologien aus der alten Welt, die bei Benzinern und Diesel noch essenziell waren, verlieren zunehmend an Bedeutung.
Marktanteile: Europäische Hersteller haben seit 2017 ein Fünftel ihres weltweiten Marktanteils eingebüßt. Mit 24 Prozent liegen sie somit gleichauf mit chinesischen Unternehmen, die vor allem auf dem Heimmarkt stark punkten können, was zum Teil daran liegt, dass sie den Geschmack der lokalen Käufer besser treffen. Aber auch daran, dass die jüngere Klientel bevorzugt zu heimischen Produkten greift.
Geopolitik: Die Energiepreise sind in Europa doppelt so hoch wie in den USA und China, was vor allem die Produktionskosten stark in die Höhe treibt. Zudem ist die Abhängigkeit von China bei Batterien hoch – McKinsey spricht von 80 Prozent der weltweiten Wertschöpfungskette. Beispielsweise kommen 95 Prozent der Importe von seltenen Erden aus China.
Regulatorisches Umfeld: Die Genehmigungszeiten sind in Europa dreimal so lang wie in den USA und zehnmal so lang wie in China – zudem gibt es doppelt so viele regulatorische Vorgaben. Eine Tatsache mit zwei Sichtweisen: Wirtschaftlich gesehen, ein sehr harter Drops, der zu lutschen ist. Wie sehr die Umwelt unter laschen gesetzlichen Auflagen leidet, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Rare Zukunftsfelder
Dass die Industrie in Europa etwas träge auf Änderungen reagiert, ist auch kein Phänomen der Neuzeit und war erst durch sanften Druck seitens der Politik möglich. Bei vielen wichtigen technischen Neuerungen verwies man auf die nicht mögliche technische Umsetzbarkeit und den darauf entstehenden Verlust tausender Arbeitsplätze, siehe flächendeckende Einführung der Katalysatorpflicht oder den freien Zugang zum Fehlerspeicher für Nicht-Vertragshändler. Alles entpuppte sich im Nachhinein dann aber als doch problemlos machbar. „Die europäische Autoindustrie steht immer noch auf einem starken Fundament – auf dieser Basis muss sie jetzt aber mutig umsteuern“, sagt Patrick Schaufuss, Co-Autor der Studie und Partner bei McKinsey. Es gibt aber insgesamt neun Handlungsfelder, auf die es laut Studienautoren jetzt ankommt:
Produktoffensive: So planen die EU-Hersteller bis 2032, 350 neue BEV-Modelle auf den Markt zu bringen. Dafür werden 150 Milliarden Euro investiert.
Kosten und Schnelligkeit: Egal, wie die Verkaufspreise chinesischer Hersteller auch zustande kommen, sie liegen gut 20 bis teilweise 50 Prozent unter denen etablierter Unternehmen. Ein Teil des Problems ist, dass chinesische Hersteller ihre Produktionszyklen zum Teil auf zwei Jahre verkürzt haben – europäische Anbieter brauchen oft doppelt so lang.
Kundenorientierung: Die Kundenvorlieben unterscheiden sich erheblich, sogenannte Weltmodelle sind also nicht mehr machbar. Ein Beispiel: Nur 18 Prozent der Chinesen geben an, dass ihr nächstes Fahrzeug ein Verbrenner sein wird – verglichen mit 49 Prozent in Europa und 70 Prozent in den USA. Ebenso legen besagte asiatische Kunden mehr Wert auf fortgeschrittene Fahrassistenzsysteme – weit mehr als in Europa zum Beispiel.
Batterien: Derzeit finden in Europa nur 10 Prozent der Zellproduktion statt. Um hier schnell und effizient einen Wandel einzuleiten und den prognostizierten Bedarf von 600 bis 800 GWh bis 2030 decken zu können – vor allem aber, um unabhängiger zu werden – bedarf es einer engeren Zusammenarbeit von Herstellern, Zulieferern und der Politik.
Zukunftsfelder: Bei E-Antriebssträngen ist der Markt mit mehr als 50 Anbietern übervoll – eine Konsolidierung und Standardisierung ist für McKinsey vonnöten. Zudem ergeben sich aus dem Komponentenmarkt für Verbrenner nach wie vor Chancen – dieser wird 2035 über 100 Mrd. Euro groß sein. Dazu kommt noch das Feld alternativer Kraftstoffe, und dann wäre da noch das Thema autonomes Fahren, das sich bis 2035 vervierfachen wird. Chancen gibt es auch bei Halbleiterproduktion und Kreislaufwirtschaft: So könnte die Hälfte der Batterien aus recycelten Rohstoffen hergestellt werden. Allerdings nur, wenn neues Lithium nicht zu Dumpingpreisen eine Wiederverwertung weiterhin unrentabel macht.
Rohstoffe: Die EU identifizierte 34 kritische und strategische Rohstoffe. 25 davon sind relevant, 14 unabdingbar für die Autoindustrie. China kontrolliert zum Beispiel 40 Prozent der globalen Minenkapazitäten für Batteriematerialien und 80 Prozent des Refinings. Auch hier könnten Partnerschaften und lokale Kapazitäten helfen, die Abhängigkeit zu reduzieren.
Infrastruktur: Um Europa auf einen nachhaltigen Nullemissionspfad zu bewegen, muss die Ladeinfrastruktur um den Faktor 6 bis 2035 ausgebaut werden. Österreich ist hier in einer Vorreiterrolle, was die Anzahl der Ladepunkte betrifft, andere EU-Länder müssen da kräftig aufholen. Dabei sollen schnellere Genehmigungszeiten und ein Ausbau des Stromnetzes an neuralgischen Punkten helfen.
Emissionen: Derzeit erwägen nur 20 Prozent der Käufer in Europa ein batterieelektrisches Fahrzeug. Für McKinsey muss also eine Diskussion über den effizientesten Pfad hin zur Nullemissionsmobilität geführt werden, bei dem nicht nur günstigere E-Autos helfen, sondern auch ein breiteres Portfolio an Hybriden.
Faktorkosten: Eine Produktion in Europa, zunehmend eine der größten Herausforderungen. Nicht nur die hohen Löhne, auch hohe Energie- und Produktionskosten beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit massiv. Initiativen zur Reduzierung dieser Kosten hätten einen signifikanten Effekt, wobei noch nicht ganz klar ist, wie diese aussehen könnten. Zudem könnten maßgeschneiderte Programme zur Anwerbung von Talenten, gezielte Förderprogramme sowie Innovationszentren helfen, die globale Wettbewerbsposition zu verbessern. •
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