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Wohnmobile sind rollende Kleinhäuser? Ja, aber sportlich und sparsam können sie dennoch sein, dachten sich zwei Ex-Ford-Mitarbeiter und planten mit dem Rectrans Discoverer dieses Segment zu versportlichen. Der Plan hatte Erfolg, die Geschäftsidee nicht so ganz.
Vielleicht hätten sie einfach nur ein wenig mehr Geduld haben müssen. Schließlich entwickelte sich mit der ersten Ölkrise 1973 das Thema Spritverbrauch erst zu einem allgemeinen Phänomen, das die Menschheit zum Nachdenken brachte. Vorher aber war es jedem wohl wurscht, ob ein Wohnmobil den damals magischen Wert von 10 mpg, also miles per gallon schaffte, weil Benzin eh quasi nix kostete. Doch blöderweise gingen alle Träume von Larry Shinoda und Binkie Knudsen ein Jahr zuvor in Rauch auf, buchstäblich. Das wäre die Kurzfassung der Geschichte des Rectrans Discoverer, doch was bitte ist das überhaupt? Um das zu beantworten, steht zuerst die Frage, wer Shinoda und Knudsen eigentlich waren.
Larry Shinoda war ein durchgeknallter Designer aus Kalifornien und Binkie Knudsen ein großer Stratege bei General Motors. Beide lernten sich ebendort während der Arbeit kennen und lieben, sie entwickelten viele aufregende Konzeptfahrzeuge, fuhren Beschleunigungsrennen auf der Woodward Avenue mitten in Detroit gegeneinander und wuchsen immer mehr zu einem unschlagbaren Manager-Designer-Team, aus dessen Arbeiten unter anderem Klassiker wie die Corvette Stingray hervorgehen sollten. Ende der 1960er wollte Ford, dass ihre Autos auch cooler aussehen sollten und warb Knudsen ab. Der nahm seinen alten Spezi Shinoda natürlich mit. Und um seinen neuen alten Chef zu ehren, nannte er einen seiner ersten Aufträge beim neuen Auftraggeber auch Mustang Boss 302. Knudsen war es auch, der das amerkanische Design nach Europa brachte, wenn man an den Taunus von 1970 denkt, der sogar den Spitznamen Knudsen-Taunus bekam. Und dennoch kam man mit diesem Duo in Dearborn irgendwie nicht zurecht und feuerte beide zu Beginn des neuen Jahrzehnts wieder.
Nachdem man aber so gerne miteinander arbeitete und noch viele irre Ideen im Kopf hatte, nutzte man die gewonnene Freizeit, um einfach eine eigene Firma zu gründen, um etwas völlig neues auf den Markt zu werfen: das sportliche Wohnmobil. Eigens zu dem Zweck gründete man dafür die Firma Rectrans und Shinoda machte sich ans Werk, ein Lkw-Chassis von Chrysler so schlau und effizient wie möglich einzukleiden. Das damals brandneue Material GFK war der letzte Schrei, dazu kam Aerodynamik immer mehr auf, und wenn man das große Ding auch noch so leicht wie möglich hinkriegt, sollte man nicht nur schnell sondern auch sparsam unterwegs sein – einfach so wie bei einem Sportwagen. Der Effizienz geschuldet, möglichst reibungsarm durch den Wind zu schlüpfen, wirkt das Modell Discoverer daher ein wenig wie ein Ufo mit Lkw-Aufbau. Das Cockpit glich auch eher dem eines Coupés denn dem eines Recreational Vehicles, bot eine miese Rundumsicht, drückend niedrige Scheiben und auch nur eine einzige Eingangstür in der Mitte der rechten Fahrzeugseite. Aber für Praktikabilität oder Schönheit blieb bei der Suche nach der Leichtigkeit des Schweins halt wenig Platz.
Auf der anderen Seite aber erschufen Shinoda und Knudsen ein erstaunliches Vehikel. Angetrieben von einem Big Block-V8 aus dem Hause Chrysler, war der Discoverer mit elf Sekunden fast doppelt so schnell von Null auf 100 km/h wie alle anderen damaligen Wohnmobile und schaffte auch fast die magischen 10 mpg. Platz im Innenraum gab es für sechs Passagiere, die mehr oder weniger bequem übernachten konnten. Und wenn man Augen- und Zeitzeugen Glauben schenken möchte, soll auch die Straßenlage dank des leichten GFK-Aufbaus verhältnismäßig dynamisch gewesen sein. Also ziemlich cool eigentlich, oder? Die Frage, die sich indes niemand stellte, war aber: Wer braucht so ein Ding überhaupt?
Selbst wenn man es bis zur Ölkrise durchgehalten hätte, wäre der Spritverbrauch bei einem Wohnmobil wohl nie zu einem großen Thema geworden, weil diese Kisten ohnehin nur ein paar Wochen im Jahr unterwegs sind. Zudem möchte man dann, noch dazu im Urlaub, nicht mit so mühsamen Meriten beschäftigt sein wie der mühsame Zugang oder die enge Fahrerkanzel. Dazu kam natürlich der hohe Preis und das generelle Problem bei globalen Krisen: Dann kauft man sich nämlich meist vorerst einmal garnichts. Man probierte dann noch wirklich, nachzubessern wo man konnte. Es gab schwächere, billigere Versionen, sogar ein System für die Fäkalienentsorgung über den Auspuff implementierte Rectrans in die Discoverer, was man sich jetzt lieber nicht näher vorstellen möchte, und dennoch schaffte man es nicht über einige handvoll Exemplare, ehe die gesamte Fabrik 1972 einem fatalen Brand zum Opfer fiel. Shinoda nahm es noch am lockersten, arbeitet fortan als freier Designer für GM und auch wieder für Ford, erfand für Jeep sogar den Grand Cherokee, der ja auch probierte, die nicht unbedingt für Sportlichkeit bekannte Klasse der Geländewagen zu versportifizieren. Im Gegensatz zum Wohnmobil ging dieser Plan aber voll auf – SUV gibt es schließlich bis heute.
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